Sonntag, 8. Juli 2012

Abrechnungs- bzw. Spesenbetrug ist an sich ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung.

Ein erwiesener Abrechnungs- bzw. Spesenbetrug ist an sich ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung.

Ein Arbeitnehmer, der ein besseres Zeugnis als ein durchschnittliches Zeugnis begehrt, hat die tatsächlichen Umstände darzulegen, aufgrund derer sich die begehrte Note zwingend ergeben soll.

 
Redaktioneller Leitsatz zu
Arbeitsgericht Frankfurt/Main, Urteil vom 16.06.2010, Az.: 7 Ca 10541/09

In dem Rechtsstreit...

hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Kammer 7, auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juni 2010 durch den Richter am Arbeitsgericht Dr…… als Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richter …… und die ehrenamtliche Richterin ………als Beisitzer für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter dem Datum des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis ein Zeugnis über Führung und Leistung in dem Arbeitsverhältnis zu erteilen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 92% und die Beklagte zu 8%.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 55.799,88 festgesetzt.

5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer hilfsweise ordentlichen (Tat- und Verdachts-)Kündigung, die Weiterbeschäftigung des Klägers, die Zahlung von Annahmeverzugslohnansprüchen, die Gewährung von Urlaub und die Erteilung eines Endzeugnisses.

Die Beklagte ist die deutsche Tochtergesellschaft eines international tätigen Logistik- und Transportkonzerns mit Sitz in ..... Bei ihr sind regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Ein Betriebsrat wurde gebildet. Die Beklagte verfügt u.a. über die Niederlassung in Frankfurt-.......... und daneben über weitere Niederlassungen im Südwesten, z.B. die Niederlassung „Wiesbaden“ in Ginsheim-Gustavsburg und die Niederlassung „Koblenz“ in ........

Der ..-jährige Kläger, geb. am ……..19, ist geschieden und hat zwei unterhalts-berechtigte Kinder. Aufgrund eines Arbeitsvertrages zwischen den Parteien vom 25.11.1987 ist der Kläger zuletzt als Fachkraft für Arbeitssicherheit (Safety Supervisor) in der Abteilung Safety beschäftigt, wobei er für die Niederlassungen der Beklagten im Südwesten verantwortlich ist. Das Bruttomonatsgrundgehalt beträgt (wenigstens) € 4.500,00. Der Kläger ist der Niederlassung Frankfurt-.......... zugeordnet. Er wohnt in .............. im Hunsrück.

Die einfache Entfernung .............. nach Frankfurt-.......... beträgt rund 126 km. Die einfache Entfernung .............. zur Niederlassung „Wiesbaden“ beträgt rund 85 km, während sie zur Niederlassung „Koblenz“ rund 89 km beträgt. Für Dienstfahrten stellt die Beklagte dem Kläger kein Fahrzeug zur Verfügung, er nimmt hierfür vielmehr seinen privaten Pkw.

Bei der Beklagten bestehen im Rahmen der internen Reisekostenordnung Vorgaben, wie dienstliche Fahrten abzurechnen sind und welche Aufwendungen erstattet werden. Unter Berücksichtigung der steuerlichen Vorgaben werden bei Dienstfahrten für jeden gefahrenen Kilometer vom Dienstsitz aus je € 0,30 erstattet. Der tägliche Weg zum Dienstsitz fällt nicht unter die erstattungsfähigen Kosten. In den Fällen, in eine Dienstreise von zuhause aus angetreten wird, gilt Folgendes: Die Kostenerstattung greift nur für die gefahrenen Kilometer, die die Entfernung zwischen Wohnsitz und Dienstsitz überschreiten, so dass sich die erstattungsfähigen Kilometer aus der strecke Wohnsitz zum Ziel der Dienstreise („Reiseziel“) abzüglich des (fiktiven) Weges vom Wohnsitz zum Dienstsitz ergeben. Ist die Entfernung zwischen Wohnsitz und dem Reiseziel kürzer als die Entfernung Wohnsitz zum Dienstsitz, besteht kein Anspruch auf Kostenerstattung/Aufwendungsersatz (siehe Bl. 76 d.A.).

Anträge auf Erstattung von Reisekosten werden mittlerweile im Online-Reisekostensystem der Beklagten mit dem Modul „Spesenabrechnungen“ unter „Oracle“ eingegeben. Die Anträge müssen vom Vorgesetzten „per Mausklick“ freigegeben werden, bevor die Abrechnungen an die Buchhaltung zwecks Auszahlung weitergeleitet werden. Hierbei findet jedoch maximal eine stichprobenartige Überprüfung bzw. eine Plausibilitätsprüfung statt. Die Vorgesetzten sind nicht gehalten, jeden Tag im Detail zu überprüfen. Insofern vertraut die Beklagte auf die Redlichkeit der Angaben ihrer Mitarbeiter.

Bereits im März und April 2000 wurde der Kläger von seinen damaligen Vorgesetzten explizit auf die Abrechnungsgrundsätze nach der Reisekostenordnung hingewiesen und dass insbesondere bei einer Dienstfahrt die Entfernung Wohnsitz zum Dienstsitz in Abzug zu bringen ist. Auf die entsprechenden Abmahnungen der Beklagten vom 08.03.2000 (Bl. 123-124 d.A.) und vom 07.04.2000 (Bl. 125-126 d.A.) Bezug genommen.

Ende Juni 2009 legte der Kläger seinem Vorgesetzten ...... eine nachträgliche Reisekostenabrechnung für den Zeitraum vom 23.01 bis 26.06.2009 zur Genehmigung vor, in der Fahrten von zuhause zu den Niederlassungen der Beklagten in Wiesbaden und Koblenz abgerechnet wurden (Bl. 127-132 d.A.). Der Vorgesetzte ...... genehmigte diese Abrechnung nicht, da sie gegen die Reisekostenordnung der Beklagten verstößt. Dies wurde dem Kläger mit dieser Begründung gegenüber mündlich und schriftlich kommuniziert.

Die nächsten monatlichen Spesenabrechnungen betreffend die Monate Juli bis September 2009 wurden von Herrn ...... freigegeben und die Auszahlung erfolgte.

Am 09.11.2009 erhielt der Personalleiter der Beklagten, Herr ... ........., vertretungsweise für den urlaubsbedingt abwesenden Herrn ...... die Reisekostenabrechnung des Klägers für den Monat Oktober 2009. Ihm fielen Unstimmigkeiten auf, so dass er Überprüfung der Reisekostenabrechnungen des Klägers ab Juli 2009 veranlasste. Die vorläufige Auswertung vom 18.11.2009 ergab, dass der Kläger bspw. an folgenden Tagen Reisekosten für Fahrten von seinem Wohnsitz in .............. in die Niederlassungen Wiesbaden und Koblenz abrechnete, obwohl die Kilometerentfernung kürzer als die Entfernung Wohnsitz zum Dienstsitz ist und somit keine Kostenerstattung zu erfolgen hat: 08.07., 15.07.2009, 03.-05.08, 07.08., 10.-11.08., 20.-21.08., 26.-28.08.2009, 11.09., 15.-16.09., 18.-19.09., 22.-25.09., 28.09.2009, 02.10., 05.10., 14.-16.10, 22.-23.10, 28.-30.10.2009. Bezüglich der vom Kläger abgerechneten (Hin- und Rück-)Fahrten vom Wohnsitz zur Niederlassung „Wiesbaden“ und zur Niederlassung „Koblenz“ wird auf die detaillierte Aufstellung der Beklagten im Schriftsatz vom 23.04.2010 (Bl. 62-54 d.A.) sowie auf die eingereichten Spesenabrechnungen des Klägers für die Monate Juli bis Oktober 2009 auf Bl. 88-120 d.A. Bezug genommen. Der dem Kläger zu Unrecht gezahlte Erstattungsbetrag für die Monate Juli bis September 2009 beträgt insofern € 958,80. In der Abrechnung für Oktober 2009 gab der Kläger € 471,00 als zu erstattende Reisekosten diesbezüglich an, was zusammen einen Betrag i.H.v. € 1.429,80 ergibt (siehe Bl. 64 d.A.). Daneben fielen der Bekl. noch weitere Unstimmigkeiten auf, die für die vorliegende Entscheidung jedoch außer Betracht bleiben.

Am 19.11.2009 wurde der Kläger von der Beklagten bzgl. des Verdachts der bewussten Falschabrechnung von Reisekosten angehört.

Mit Schreiben vom 25.11.2009, beim Vorsitzenden des Betriebsrats, Herrn , am 25.11.2009 ausweislich dessen Unterschrift eingegangen, hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Auf das Anhörungsschreiben auf Bl. 30-37 d.A. wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 01.12.2009, dem Kläger per Boten noch am gleichen Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das „geschlossene Arbeitsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund“ (Bl. 7 d.A.).

Mit Schreiben vom 02.12.2009 widersprach der Betriebsrat der beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers und dessen Abberufung als Fachkraft für Arbeitssicherheit. Zur Begründung wird auf das Schreiben vom 02.12.2009 auf Bl. 9-10 d.A. Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 09.12.2009 kündigte die Beklagte das „geschlossene Arbeitsverhältnis vorsorglich auch fristgerecht zum 30.06.2010, hilfsweise zum nächst möglichen Termin“ (Bl. 8 d.A.).

Der Kläger behauptet, er habe im Mai 2009 einen Bescheid seines zust. Finanzamtes bekommen, wonach er aufgrund fehlerhafter Lohnsteuererklärungen – wobei der Kläger nicht im Einzelnen erläutert hat, welche Angaben er in den fraglichen Erklärungen gemacht haben will - für die Jahre 2002 bis 2008 insgesamt rund € 21.000,00 nachzahlen müsse. Dies hänge mit der steuerlichen Behandlung seiner Dienstfahrten zusammen. Das Finanzamt habe ihm zu verstehen gegeben, dass die Beklagte seine Dienstfahrten von .............. nach Wiesbaden bzw. nach Koblenz übernehmen müsse. Steuerlich könnten diese nicht geltend gemacht werden. Da es seiner Ansicht nicht sein könne, dass er seine Dienstfahrten von zuhause weder von der Beklagten erstattet bekomme noch sie beim Finanzamt geltend machen könne, habe er entschieden, seine Abrechnungspraxis ab Juli 2009 gegenüber der Beklagten zu ändern und entgegen der Reisekostenordnung Fahrten von zuhause zu den Niederlassungen in Wiesbaden und Koblenz abzurechnen. Er habe die Spesenabrechnungen so ausgefüllt, wie „er das für rechtlich zutreffend und geboten hielt, auch wenn er ahnte, dass die Beklagte diese Rechtsauffassung evtl. nicht teilt“ (siehe Bl. 138 d.A.). Er ist der Ansicht, die Beklagte sei nicht dazu da, rechtliche Unterschiede in der Bewertung steuerrechtlicher Fragen einseitig zu definieren. Ferner sei die Reisekostenordnung mangels (ordnungsgemäßer) Beteiligung des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 10 BetrVG unanwendbar, so dass er dagegen auch nicht verstoßen könne. Der Kläger behauptet schließlich, seine Leistungen im Arbeitsverhältnis und sein Verhalten seien stets sehr gut gewesen.

Der Kläger beantragte zuletzt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 1. Dezember 2009 aufgelöst wurde.

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 9. Dezember 2009 aufgelöst ist.

3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Fachkraft für Arbeitssicherheit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzanträge weiterzubeschäftigen.

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.500,00 EUR (in Worten: Viertausendfünfhundert und 00/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2010 zu zahlen.

5. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 22 (zweiundzwanzig) weitere Urlaubstage für das Jahr 2009 zu gewähren.

6. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter dem Datum des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis ein Zeugnis über Führung und Leistung in dem Arbeitsverhältnis zu erteilen, mit einer Leistungsbeurteilung „stets zur vollsten Zufriedenheit“ und einer Verhaltensbeurteilung „gegenüber Vorgesetzten, Mitarbeitern und Kunden jederzeit und in jeder Hinsicht einwandfrei“.

7. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger weitere 30 (dreißig) Urlaubstage für das Kalenderjahr 2010 zu gewähren.

8. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 13.500,00 EUR (in Worten: Dreizehntausendfünfhundert und 00/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 4.500,00 EUR (in Worten: Viertausendfünfhundert und 00/100 Euro) seit dem 1. Februar 2010, 1. März 2010 und 1. April 2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die fristlose (Tat- und Verdachts-)Kündigung oder zumindest die ordentliche Kündigung angesichts des seit Juli 2009 fortgesetzten vollendeten und versuchten Spesen- bzw. Abrechnungsbetruges des Klägers gerechtfertigt sei. Die Beklagte behauptet, dass sie dem Kläger für das Jahr 2009 mit Ausnahme von 7 Tagen sämtlichen Urlaub bereits in natura gewährt habe. Der Kläger habe ferner während des Arbeitsverhältnisses lediglich durchschnittliche Leistungen erbracht.

Die Klageschrift vom 11.12.2009 ging beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main per EGVP am 14.12.2009 ein und wurde der Beklagten spätestens am 18.01.2010 (siehe Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beklagten auf Bl. 12 d.A.) zugestellt. Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, ihre Beweisantritte und die von ihnen eingereichten Unterlagen und damit auf die Gerichtsakte Bezug genommen (§ 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist überwiegend unbegründet, so dass sie insofern abzuweisen ist. Lediglich bezüglich des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses ist die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.

I. Die Klage ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist für die Kündigungsschutzanträge gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. b.) ArbGG, da es um den Bestand eines Arbeitsverhältnisses geht, und für die anderen geltend gemachten Ansprüche gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a.) ArbGG, da es sich um Ansprüche aus einem bestehenden/beendeten Arbeitsverhältnis geht, gegeben. Der Ort der regelmäßigen Arbeitsleistung des Klägers an dessen Dienstsitz in Frankfurt-.......... (§ 48 Abs. 1a ArbGG) gehört zum örtlichen Zuständigkeitsbereich des erkennenden Arbeitsgerichts. Das gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.n. §§ 495 Abs. 1, 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse für die Kündigungsschutzanträge liegt vor, da es dem Kläger unabhängig von den Bestimmungen der §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG gemäß §§ 4, 7, 13 KSchG obliegt, die Unwirksamkeit von außerordentlichen und (hilfsweise) ordentlichen Kündigungen binnen der Präklusionsfrist von drei Wochen ab Zugang der Kündigung gerichtlich geltend zu machen. Die nachträgliche Klageerweiterung und die damit verbundene Klageänderung (§ 263 ZPO) ist zulässig. Die damit verbundene objektive Klagehäufung ist gemäß § 260 ZPO zulässig, da die Anträge in derselben Prozessart verfolgt werden. Die Beklagte hat sich im Übrigen auf die Klage und die Klageänderungen eingelassen (§ 267 ZPO), so dass auch etwaige Zustellungsmängel geheilt sind (§ 295 ZPO).

II. Die Kündigungsschutzklage bzgl. der fristlosen Kündigung der Beklagten vom 01.12.2009 (Klageantrag zu Ziff. 1) ist unbegründet. Diese Kündigungserklärung hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien am 01.12.2009 beendet, da sie dem Kläger am gleichen Tage zugegangen ist. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis wirksam gemäß § 626 Abs. 1, Abs. 2 BGB aufgrund wichtigen Grundes gekündigt.

1. Die fristlose Kündigung der Beklagten vom 01.12.2009 wahrt zunächst das Schriftformerfordernis des § 623 BGB und ist dem Kläger am selben Tag zugegangen.

2. Der Kläger hat auch die Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG (i.V.m. § 13 KSchG) gewahrt, da er im Hinblick auf die streitgegenständliche Kündigung fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben hat, die der Beklagten auch demnächst (§ 167 ZPO) zugestellt wurde.

3. Vorliegend ist auch für die Beklagte ein Kündigungsgrund gegeben, denn das Tatbestandsmerkmal des wichtigen Grunds i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB ist erfüllt.

a) Für einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB müssen Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird das Vorliegen eines wichtigen Grundes in zwei Stufen geprüft. Zunächst ist festzustellen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB abzugeben. Dieser Sachverhalt muss im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung objektiv vorliegen. Ist hiernach ein Sachverhalt an sich geeignet, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die außerordentliche Kündigung nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände als gerechtfertigt angesehen werden kann. Dies ist nur dann der Fall, wenn die fristlose Kündigung die ultima ratio für den Kündigungsberechtigten war, d.h. mildere Mittel unzumutbar waren (siehe Müller-Glöge, in: Erfurter Kommentar, 10. Aufl., München, 2010, § 626 BGB, Rz. 34, 44, 62).

b) Hieran gemessen liegen zunächst die Voraussetzungen der 1. Stufe für eine fristlose (Tat-)Kündigung des Klägers vor. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG ist ein erwiesener Abrechnungs- bzw. Spesenbetrug an sich ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB (zuletzt: BAG v. 06.09.2007 - 2 AZR 264/06, NZA 2008, 636 [638]). Ein Arbeitnehmer hat die angefallenen Spesen grundsätzlich korrekt abzurechnen. Unkorrektheiten berechtigen regelmäßig zu einer fristlosen Kündigung (vgl. BAG v. 10.06.1980 - 6 AZR 180/78, juris). Ein Spesenbetrug kann selbst dann als Grund zur fristlosen Entlassung ausreichen, wenn es sich um einen einmaligen Vorfall und um einen geringen Betrag handelt (vgl. BAG v. 02.06.1960 - 2 AZR 91/58, BAGE 9, 263 ff.; BAG v. 22.11.1962 - 2 AZR 42/62, AP Nr. 49 zu § 626 BGB).

(1) Der Kläger hat vorliegend seit Juli 2009 Reisekostenerstattung für dienstlich veranlasste Fahrten von seinem Wohnsitz zu den Niederlassungen der Beklagten in Wiesbaden und Koblenz im Wert von € 1.430,00 beantragt und sogar im Wert von rund € 958,80 seitens der Bekl. erhalten. Lediglich die Abrechnung für Oktober 2009 wurde genauer geprüft, so dass es insofern nicht zu einer Zahlung seitens der Beklagten genommen ist. Der Kläger hat nach der gültigen und ihm spätestens seit dem Jahre 2000 bekannten Reisekostenordnung der Beklagten jedoch keinen (arbeits-)vertraglichen Anspruch auf Erstattung der insofern gefahrenen Kilometer für Hin- und Rückfahrt, da die einfache Entfernung kürzer als die zwischen seinem Wohnsitz und dem Dienstsitz ist. Die Reisekostenordnung der Beklagten ist auch gültig und verstößt nicht gegen die Beteiligungsrechte des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 10 BetrVG, da hierin die Erstattung von Aufwendungen wegen der dienstlichen Nutzung eines privaten Pkw geregelt ist. Aufwendungsersatz ist keine Leistung mit Vergütungscharakter im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG (vgl. BAG, Urt. v. 08.12.1981 – 1 ABR 91/79, AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Ferner ist § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht einschlägig, da die Reisekostenordnung die zu benutzenden Verkehrsmittel, Antragsverfahren und erstattungsfähigen Kosten regelt, was aber lediglich das mitbestimmungsfreie Arbeitnehmerverhalten betrifft (vgl. BAG, Urt. v. 08.12.1981 – 1 ABR 91/79, AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Damit ist der objektive Tatbestand eines vollendeten und versuchten Abrechnungsbetruges seitens des Klägers gegeben.

(2) Der Kläger handelte hierbei auch schuldhaft, denn er kannte die Reisekostenordnung der Beklagten spätestens seit dem Jahre 2000 und Mitte des Jahres 2009 wurde ihm deren Inhalt von seinem Vorgesetzten ...... im Zusammenhang mit der Ablehnung der nachträglichen Abrechnung für das 1. Halbjahr 2009 abermals in Erinnerung gerufen. Der Kläger hat sich vorsätzlich, d.h. mit Wissen und Wollen, dafür entschieden, ab Juli 2009 wieder dienstliche Fahrten von seinem Wohnsitz zu den Niederlassungen der Beklagten in Wiesbaden und Koblenz gegenüber der Beklagten abzurechnen, obwohl dies gegen die ihm bekannte Reisekostenordnung verstieß. Der Kläger handelte hier eigenmächtig und befand sich insbesondere in keinem schuldausschließenden Rechtsirrtum. Unabhängig davon, dass der Kläger nicht substantiiert dargelegt hat, welche Angaben er in seinen Lohnsteuererklärungen getan hat, ist die von ihm geäußerte Rechtsansicht unzutreffend, dass sämtliche Dienstfahrten vom Arbeitgeber zu erstatten sind. Nach §§ 9 Nr. 4, 3c EStG („Werbungskosten“) i.V.m. Nr. H 9.5 der derzeitigen LStR 2008 können vom Arbeitnehmer diejenigen dienstlich veranlassten Fahrten unter Benutzung eines privaten Pkw mit einem Pauschalbetrag i.H.v. € 0,30 je gefahrenem Kilometer als Werbungskosten geltend gemacht werden, soweit diese Reisekosten nicht vom Arbeitgeber steuerfrei erstattet wurden. Der Kläger hat nicht einmal ansatzweise dargelegt, dass er zu seiner Rechtsansicht nach gewissenhafter und sorgfältiger Prüfung gelangt wäre, so dass er sich auch in seinem schuldausschließenden Irrtum befindet.

b) Auch die Voraussetzungen der 2. Stufe liegen vor, denn die fristlose (Tat-) Kündigung stellt sich vorliegend für die Beklagte als ultima ratio angesichts der Schwere der arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen dar. Der Kläger ist zwar schon seit knapp 22 Jahren bei der Beklagten beschäftigt und hat zwei unterhaltsberechtigte Kinder. Gleichwohl ist es der Beklagten vorliegend nicht mehr zuzumuten, den Kläger auch nur einen Tag länger zu beschäftigen. Das grdsl. Prozedere der Reisekostenabrechnung sollte dem Kläger seit Jahren geläufig sein, allerdings schafft er es offensichtlich nicht daran zu gewöhnen. Vorliegend stellen der vollendete Spesenbetrug für die Monate Juli bis September 2009 mit einem verwirklichten Schaden i.H.v. rund € 960,00 und der versuchte Spesenbetrug für den Monat Oktober 2009 erhebliche Vermögensstraftaten zum Nachteil der Beklagten dar, die kein Arbeitgeber hinnehmen muss. Vorliegend geht es auch nicht um den Austausch unterschiedlicher Rechtsansichten, sondern um Betrug. Hätte der Kläger seine zu Beginn Juli 2009 geänderte Rechtsansicht überprüft bzw. überprüfen lassen, hätte ihm ein Rechtsanwalt und/oder Steuerberater von der zutreffenden Rechtslage (siehe oben) in Kenntnis gesetzt. Der Kläger hätte auch Einspruch gegen die – unsubstantiiert dargelegten - Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2008 einlegen können und die angeblich vom Finanzamt geäußerte Rechtsansicht von den Finanzgerichten überprüfen lassen können. Selbst wenn man der Ansicht wäre, der Kläger wäre nicht verpflichtet, sich professionell beraten zu lassen, hätte er ohne Weiteres korrekte Spesenabrechnungen bei der Bekl. einreichen können und die dienstlichen Fahrten von seinem Wohnsitz zu den Niederlassungen der Beklagten in Wiesbaden und Koblenz von der Beklagten separat einfordern können und diese ggfls. im Klagewege durchsetzen können. Stattdessen wählte der Kläger den strafbaren Weg, indem er sich selbstherrlich das holte, was er meinte, was ihm zustünde. Er wusste, dass die Spesenabrechnung bei der Beklagten überwiegend auf Vertrauensbasis erfolgt, was er bewusst ausnutzte. Erschwerend kommt hinzu, dass der Kläger zu erkennen gegeben hat, dass er auch weiterhin so verfahren wird, denn er behauptet von sich selbst, dass er im Juli 2009 sein Abrechnungsverfahren entsprechend geändert habe. Bei einem derart unsichtigen und betrügerisch handelnden Arbeitnehmer ist der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten.

4. Vorliegend ist die Kündigungserklärungsfrist von 2 Wochen gemäß § 626 Abs. 2 BGB erfüllt. Der Personalleiter der Beklagten, Herr ... ........., erfuhr erst aufgrund der vorl. Auswertung am 18.11.2009, welches Ausmaß die betrügerischen Spesenabrechnungen des Klägers seit Juli 2009 angenommen hatten. Die fristlose Kündigung ging dem Kläger am 01.12.2009 und damit fristgerecht zu.

5. Der Betriebsrat wurde gemäß § 102 BetrVG ordnungsgemäß zur beabsichtigten fristlosen (Tat-)Kündigung angehört.

6. Angesichts der vorstehenden fristlosen Tatkündigung kommt es nicht mehr darauf an, ob auch die Voraussetzungen für eine fristlose Verdachtskündigung erfüllt sind.

III. Der Klageantrag zu Ziff. 2 (ordentliche Kündigung der Bekl. vom 01.12.2009) ist unbegründet, da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bereits durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 01.12.2009 aufgelöst wurde. Im Zeitpunkt des Zugangs der streitgegenständlichen ordentlichen Kündigungserklärung bestand bereits kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien, für dessen Vorhandensein der Kläger jedoch darlegungs- und beweisbelastet ist.

IV. Der Klageantrag zu Ziff. 3 (Weiterbeschäftigung) ist unbegründet, da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bereits durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 01.12.2009 aufgelöst wurde, so dass eine Weiterbeschäftigung zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen ausscheidet.

V. Der Klageantrag zu Ziff. 4 (Annahmeverzugslohn für Dezember 2009) ist unbegründet, da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bereits durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 01.12.2009 aufgelöst wurde, so dass sich die Beklagte nicht in Annahmeverzug befindet.

VI. Der Klageantrag zu Ziff. 5 (Urlaubsgewährung für 2009) ist unbegründet, da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bereits durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 01.12.2009 aufgelöst wurde, so dass eine Urlaubsgewährung, die zumal hinsichtlich der zeitlichen Lage nicht näher spezifiziert ist, ausscheidet. Wegen § 308 ZPO („ne ultra petita“) kann der Antrag auch nicht in einen Anspruch auf Zahlung von Urlaubsabgeltung im Sinne von §§ 7 Abs. 4, 11 BUrlG umgedeutet werden, zumal die Anzahl der restlichen Urlaubstage für das Jahr 2009 ohnehin zwischen den Parteien umstritten ist.

VII. Der Klageantrag zu Ziff. 6 (qualifiziertes Zeugnis) ist begründet, soweit es um die grdsl. Verpflichtung der Beklagten geht, dem Kläger ein Endzeugnis zu erteilen. Da das Arbeitsverhältnis vorliegend durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 01.12.2009 beendet wurde, hat der Kläger gemäß § 109 Abs. 1 Sätze 1+3 GewO einen entsprechenden Anspruch gegenüber der Beklagten. Soweit der Kläger allerdings die von ihm im Klageantrag ausformulierte Leistungs- und Führungsbeurteilung begehrt, die im Ergebnis der Note „sehr gut“ entspricht, ist er der ihm insofern obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht einmal ansatzweise nachgekommen. Ein Arbeitnehmer, der ein besseres Zeugnis als ein durchschnittliches Zeugnis begehrt, hat die tatsächlichen Umstände darzulegen, aufgrund derer sich die begehrte Note zwingend ergeben soll. Dies ist vorliegend nicht der Fall, so dass der Antrag zu Ziff. 6 teilweise abzuweisen ist. Vorliegend ist dies auch mit § 308 ZPO („ne ultra petita“) vereinbar, denn die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses ist im Vergleich zum beantragten Zeugnis ein Minus und kein Aliud.

VIII. Der Klageantrag zu Ziff. 7 (Urlaubsgewährung für 2010) ist unbegründet, da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bereits durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 01.12.2009 aufgelöst wurde, so dass eine Urlaubsgewährung, die zumal hinsichtlich der zeitlichen Lage nicht näher spezifiziert ist, ausscheidet.

IX. Der Klageantrag zu Ziff. 8 (Annahmeverzugslohn für Januar bis März 2010) ist ebenfalls unbegründet, da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bereits durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 01.12.2009 aufgelöst wurde, so dass sich die Beklagte nicht in Annahmeverzug befindet.

X. Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Beklagte zu 8% und der Kläger zu 92%, da sie jeweils teilunterlegen sind, § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 92 Abs. 1 ZPO. Ausgehend von einem Wert des Streitgegenstandes i.H.v. € 55.799,88 (siehe unten) unterliegt die Beklagte lediglich, soweit sie beim Klageantrag zu Ziff. 6 verpflichtet ist, dem Kläger ein qualifiziertes Endzeugnis zu erteilen, wobei dieser Antrag mit einem Bruttomonatsgehalt des Klägers i.H.v. € 4.500,00 zu bewerten ist. Im Übrigen unterliegt der Kläger. Dementsprechend ist die Kostenlast zwischen den Parteien zu verteilen.

XI. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes im Urteil beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG. Der Wert des Streitgegenstandes ist vorliegend auf € 55.799,88 festzusetzen. Dies entspricht für die beiden Kündigungserklärungen (Klageanträge zu Ziff. 1 bis 2) insgesamt vier Bruttomonatsgehältern des Klägers á € 4.500,00 sowie für den Klageanträge zu Ziff. 3 (Weiterbeschäftigung) und zu Ziff. 6 (Zeugnis) je einem weiteren Bruttomonatsgehalt, d.h. insgesamt 6 Bruttomonatsgehältern. Die Klageanträge zu Ziff. 4 und 8 (Annahmeverzugslohnansprüche für Dezember 2009 bis März 2010) werden zusammen mit € 18.000,00 (= 4 x Bruttomonatsgehalt) bewertet. Ausgehend von einem Tagessatz i.H.v. € 207,69 brutto (= € 4.500 / 4,33 / 5) werden die Klageanträge zu Ziff. 5 und zu Ziff. 7 (Gewährung von insgesamt 52 Urlaubstagen für 2009 und 2010) zusammen mit € 10.799,88 (= 52 x € 207,69) bewertet.

XII. Gründe, die Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG gesondert zuzulassen, liegen nicht vor, insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung gemäß §§ 64 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 2 lit. a.) ArbGG zu. Die ohnehin gegebene Zulässigkeit der Berufung gemäß § 64 Abs. 2 lit. b.) und lit. c.) ArbGG bleibt hiervon unberührt. Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung ist gemäß § 64 Abs. 3a Satz 1 ArbGG in den Urteilstenor aufzunehmen.

XIV. Eine Rechtsmittelbelehrung findet sich auf der nächsten Seite.

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