Der so genannte Urlaubsabgeltungsanspruch entsteht automatisch, wenn dem Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch Resturlaub zusteht, den er bei Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses noch nehmen könnte. Die Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruchs wird gemäß § 11 BurlG, d.h. wie der Anspruch auf Urlaubsentgelt berechnet.
Das Bundesurlaubsgesetz sieht allerdings in § 7 Abs. 3 und 4 BurlG vor, dass ein auf das Folgejahr übertragener Urlaubsanspruch grundsätzlich am 31. März des Folgejahres erlischt. Das Bundesarbeitsgericht hat lange Zeit die Rechtsauffassung vertreten, dass der Urlaubsanspruch (§ 7 Abs. 3 BUrlG) bzw. der der Urlaubsabgeltungsanspruch (§ 7 Abs. 4 BUrlG) erlischt, wenn der Urlaubsanspruch aufgrund einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers bis zum Ende des Übertragungszeitraums (31. März des Folgejahres) nicht erfüllt werden konnte. Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 24.03.2009, Az. : 9 AZR 983/07 ausdrücklich aufgegeben. Der amtliche Leitsatz der Entscheidung stellt dies wie folgt klar:
"Der Anspruch auf Abgeltung gesetzlichen Voll- oder Teilurlaubs erlischt nicht, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist."
Neue Rechtsprechung des BAG
Der sogen. Urlaubsabgeltungsanspruch verfällt künftig nicht mehr automatisch zum Jahresende, so das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 19. Juni 2012 - 9 AZR 652/10)
Bisherige Rechtsprechung: Befristung des Urlaubsabgeltungsanspruchs
Nach § 7 Abs. 3 u. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) heißt es wie folgt:
"Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen
werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist
nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des
Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der
Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten
des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen
des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender
Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen. Kann der
Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise
nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten."
Diese Befristung des Urlaubsanspruches galt nach der bisherigen Rechtsprechung der Erfurter Richter grundsätzlich auch für den Urlaubsabgeltungsanspruch. Begründet wurde dies damit, dass der Abgeltungsanspruch als Ersatz (Surrogat) für den wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr realisierbaren Urlaubsanspruch zu verstehen sei.
Was ist neu?
Die Erfurter Richter haben in dem noch nicht veröffentlichten Urteil
entschieden, dass der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch als reiner
Geldanspruch unabhängig von der Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitsfähigkeit
des Arbeitnehmers künftig nicht mehr dem Fristenregime des BUrlG
unterfällt - Pressemitteilung Nr. 43/12 des Bundesarbeitsgerichts.
Hintergrund der Rechtsprechungsänderung
Hintergrund der Rechtsprechungsänderung ist die jüngere
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser hat ausgeführt,
dass Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen sei, dass er
einzelstaatlichen Rechtsvorschriften entgegensteht, wenn für nicht
genommenen Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses keine
finanzielle Vergütung gezahlt wird, wenn der Arbeitnehmer während des
gesamten Bezugszeitraums und/oder Übertragungszeitraums oder eines Teils
davon krankgeschrieben bzw. im Krankheitsurlaub war und deshalb seinen
Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte. Demzufolge
sollten Langzeiterkrankte also Anspruch haben, den Urlaub zu einem
späteren Zeitpunkt zu nehmen oder ihn sich auszahlen zu lassen.
Diesen Rechtsgedanken überträgt das Bundesarbeitsgericht mit seiner
aktuellen Entscheidung zu Recht auch auf Arbeitsverhältnisse nicht
erkrankter Arbeitnehmer.
Zum konkreten Rechtsstreit
Im konkreten Streitfall hatte sich ein Operating-Manager in Berlin
nach einem Kündigungsstreit mit seinem Arbeitgeber auf ein Ende des
Arbeitsverhältnisses zum 31. Juli 2008 geeinigt. Dem Arbeitnehmer
standen zu diesem Zeitpunkt noch 16 Urlaubstage zu. Er verlangte vom
Arbeitgeber ohne Erfolg, diesen Urlaub abzugelten. Das Arbeitsgericht
und Landesarbeitsgericht hatten Klage und Berufung zurückgewiesen. Die
Revision des Klägers hatte jetzt vor dem Neunten Senat des
Bundesarbeitsgerichts Erfolg.
Zusammenfassung und Ausblick
Der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch als reiner
Geldanspruch ist künftig unabhängig von der Arbeitsunfähigkeit oder
Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers und unterfällt nicht mehr dem
Fristenregime des Bundesurlaubsgesetzes.
Die Rechtssprechungsänderung ist zu begrüßen.
Schließlich sind keine sachlichen Gründe ersichtlich, weswegen für einen
arbeitsfähigen Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
andere Regeln für den Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs gelten
sollten als für einen arbeitsunfähigen Arbeitnehmer.
Was sollten betroffene Arbeitnehmer beachten?
Für Geldansprüche gelten oft arbeitsvertragliche oder tarifliche Ausschlussfristen von meist drei bis sechs Monaten. Wenn nicht, greift die allgemeine gesetzliche Verjährungsfrist von drei Jahren.