Positive Schlußsätze sind geeignet, die Bewerbungschancen des Arbeitnehmers zu erhöhen. Ein Zeugnis mit "passenden" Schlußsätzen wird daher aufgewertet. Daraus läßt sich aber nicht im Umkehrschluß folgern, ein Zeugnis ohne jede Schlußformulierung werde in unzulässiger Weise "entwertet". Vielmehr obliegt dem Arbeitgeber die Formulierung und Gestaltung des Zeugnisses
Leitsatz der Redaktion
BAG Urteil vom 20.02.2001 (9 AZR 44/00)
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin ein Arbeitszeugnis zu erteilen, daß eine sog. Schlußformel enthält.
Die 1971 geborene Klägerin, Dipl. Informationswirtin, war bei den Beklagten seit Oktober 1994 als Sachbearbeiterin für die Datenbankrecherche beschäftigt. Sie erhielt zuletzt eine monatliche Vergütung von 6.750,00 DM brutto. Das Arbeitsverhältnis endete auf Wunsch der Klägerin zum 15. Februar 1997. In dem Arbeitszeugnis bescheinigten die Beklagten der Klägerin, sie habe die übertragenen Aufgaben immer zuverlässig und gewissenhaft zur vollsten Zufriedenheit erfüllt. Außerdem vermerkten sie, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei auf Wunsch der Klägerin erfolgt.
Die Klägerin hat vor dem Arbeitsgericht die Führungs- und Leistungsbeurteilung als unvollständig gerügt und mehrere Änderungen des Zeugnisses verlangt. Außerdem hat sie geltend gemacht, die Beklagten hätten das Zeugnis um allgemein übliche Schlußsätze zu ergänzen. Andernfalls werde der Zeugnisinhalt entwertet. Hierzu hat sie zuletzt beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, das Zeugnis wie folgt zu ergänzen:
"Wir bedauern ihr Ausscheiden und danken ihr für die stets gute Zusammenarbeit. Für die Zukunft wünschen wir Frau H alles Gute und weiterhin viel Erfolg."
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage wegen der von der Klägerin beantragten Änderungen der Leistungs- und Führungsbeurteilung stattgegeben. Es hat die Beklagten außerdem verurteilt, der Klägerin im Zeugnis für die Zukunft alles Gute und weiterhin viel Erfolg zu wünschen. Die weitergehende Klage hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und im übrigen die Beklagten verurteilt, das Zeugnis über die verlangte Wunschformel hinaus auch um die Dankesformel zu ergänzen. Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision. Die Klägerin beantragt deren Zurückweisung.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten ist begründet.
A. Der Senat kann in der Sache entscheiden; die Berufung der Beklagten war zulässig.
I.
Die Zulässigkeit der Berufung gehört zu den in der Revision von Amts wegen zu prüfenden Prozessfortsetzungsvoraussetzungen (vgl. BAG 20. Februar 1986 - 6 AZR 236/84 - BAGE 51, 163 mwN). Es kommt nicht darauf an, daß das Landesarbeitsgericht die Berufung für zulässig angesehen hat (BAG 25. Oktober 1973 - 2 AZR 526/72 - AP ZPO § 518 Nr. 22).
Die Klägerin hat geltend gemacht, der für die Zulässigkeit der Berufung erforderliche Beschwerdewert von mehr 800,00 DM (§ 64 Abs. 2 ArbGG aF) sei nicht erreicht, weil die Beklagten sich nur gegen die Verurteilung zur Aufnahme der "Wunschformel" gewandt hätten. Da die Klägerin insgesamt 12 Änderungen verlangt habe, betrage nach dem vom Arbeitsgericht festgesetzten Streitwert von 6.750,00 DM der Wert jeder Änderung nur 562,50 DM. Das ist nicht richtig. Die Beschwer der Beklagten beträgt 6.750,00 DM.
II.
Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Erteilung oder auf "Berichtigung/Ergänzung" eines Arbeitszeugnisses nach § 630 BGB wird unter Berücksichtigung der in § 12 Abs. 7 ArbGG für den Kündigungsschutzprozeß bestimmten Höchstgrenze von einem Vierteljahresverdienst regelmäßig mit einem Monatslohn bewertet (vgl. Schaub Arbeitsgerichtsverfahren 7. Aufl. § 48 Rn. 58 mwN). Hierfür kommt es auf den Umfang der vom Arbeitnehmer verlangten Änderungen nicht an. Gegenstand des Rechtsstreits ist, ob der Arbeitgeber den Zeugnisanspruch ordnungsgemäß erfüllt hat (BAG 23. Juni 1960 - 5 AZR 560/58 - BAGE 9, 289). Erst mit der ordnungsgemäßen Erfüllung erlischt der Anspruch des Arbeitnehmers (§ 362 Abs. 1 BGB). Der Streitwert verändert sich daher auch dann nicht, wenn der Arbeitgeber das Urteil des Arbeitsgerichts nur teilweise angreift und es im übrigen rechtskräftig werden läßt. Das Ausmaß der vom Arbeitnehmer verlangten Änderungen hat bei einem teilweisen Obsiegen und Unterliegen der Parteien allein für die Kostenentscheidung nach § 92 ZPO Bedeutung.
B. Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch, das Arbeitszeugnis um die Formulierungen zu ergänzen, die Beklagten dankten ihr für die stets gute Zusammenarbeit und wünschten ihr für die Zukunft alles Gute und weiterhin viel Erfolg.
I.
Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich nicht nach § 630 BGB. Die verlangten Schlußsätze gehören nicht zum gesetzlich geschuldeten Inhalt eines Arbeitszeugnisses.
1. Der Arbeitgeber hat nach § 630 BGB (ebenso nach § 73 HGB und § 113 GewO) bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer ein Zeugnis über Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses zu erteilen. Auf Verlangen des Arbeitnehmers muß sich das Zeugnis auf Führung und Leistung erstrecken. Ein Zeugnis mit diesem Inhalt hat die Klägerin vor dem Arbeitsgericht rechtskräftig erstritten. Auch die Klägerin macht nicht geltend, Schlußsätze seien Bestandteil der geschuldeten Führungs- und Leistungsbeurteilung.
2. Ein Anspruch auf die begehrten Schlußsätze ergibt sich nicht aus anderen Gründen.
a) Als Bewerbungsunterlage des Arbeitnehmers und Entscheidungsgrundlage für die Personalauswahl künftiger Arbeitgeber muß das Zeugnis inhaltlich wahr und zugleich von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein; es darf dessen weiteres Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren (vgl. BAG 3. März 1993 - 5 AZR 182/92 - AP BGB § 630 Nr. 20 = EzA BGB § 630 Nr. 17 mwN). Vom Arbeitgeber wird verlangt, daß er den Arbeitnehmer auf der Grundlage von Tatsachen beurteilt und, soweit das möglich ist, ein objektives Bild über den Verlauf des Arbeitsverhältnisses vermittelt.
Das Zeugnis muß deshalb allgemein verständlich gefaßt sein. In diesem Rahmen ist der Arbeitgeber grundsätzlich frei in der Formulierung des Zeugnisses, so lange das Zeugnis nichts Falsches enthält (BAG 29. Juli 1971 - 2 AZR 250/70 - AP BGB § 630 Nr. 6 = EzA BGB § 630 Nr. 1). "Falsch" ist ein Zeugnis auch dann, wenn es Merkmale enthält, die den Zweck haben, den Arbeitnehmer in einer aus dem Wortlaut des Zeugnisses nicht ersichtlichen Weise zu kennzeichnen und denen entnommen werden muß, der Arbeitgeber distanziere sich vom buchstäblichen Wortlaut seiner Erklärungen, der Arbeitnehmer werde in Wahrheit anders beurteilt, nämlich ungünstiger als im Zeugnis bescheinigt (vgl. BAG 21. September 1999 - 9 AZR 893/98 - AP BGB § 630 Nr. 23 = EzA BGB § 630 Nr. 22 mwN). Ein unzulässiges Geheimzeichen kann auch im Auslassen eines an sich erwarteten Zeugnisinhalts bestehen (BAG 29. Juli 1971 - 2 AZR 250/70 - aaO). Hat der Arbeitgeber kein in diesem Sinn ordnungsgemäßes Zeugnis erteilt, kann der Arbeitnehmer Erfüllung seines Anspruchs verlangen (ständige Rechtsprechung BAG 17. Februar 1988 - 5 AZR 638/86 - BAGE 57, 329).
b) Das Fehlen der von der Klägerin verlangten Schlußsätze macht das Zeugnis nicht unvollständig; es ist kein unzulässiges Geheimzeichen.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat im Anschluß an die Ausführungen der Klägerin angenommen, der Arbeitgeber schulde auf die Gesamtnote abgestimmte Schlußsätze. Bei hervorragender Beurteilung sei das Ausscheiden des Arbeitnehmers zu bedauern, bei einer guten Beurteilung wie sie die Klägerin erhalten habe, müsse der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer jedenfalls danken. Andernfalls werde das Zeugnis entwertet, da Schlußsätzen wegen der allgemein kritischen Haltung von Zeugnislesern gegen die Richtigkeit von Zeugnisinhalten eine positive Bedeutung und ihrem Fehlen oft eine negative Bedeutung beigemessen werde.
bb) Der Senat folgt dem nicht.
(1) Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur unzulässigen Auslassung, dem sog. beredten Schweigen, betrifft den gesetzlich geschuldeten Zeugnisinhalt, also ua. die Leistungs- und Führungsbeurteilung, die sich auf das Anforderungsprofil der vom Arbeitnehmer wahrgenommenen Aufgaben beziehen muß, wie es sich aus der Tätigkeitsbeschreibung ablesen läßt (BAG 29. Juli 1971 - 2 AZR 250/70 aaO). Diese Rechtsprechung ist auf das Fehlen von Schlußsätzen nicht zu übertragen (so im Ergebnis auch RGRK/Eisemann BGB 12. Aufl. § 630 Rn. 41 zu 7 q; ErfK/Müller-Glöge 2. Aufl. § 630 BGB Rn. 93; Staudinger/Preis BGB 13. Aufl. § 630 Rn. 49; Pfeiffer/Leinemann GewO Stand: Dezember 2000 § 113 Rn. 91 [S 38]; Schmid DB 1988, 2253, 2254; Roßbruch Anm. zu LAG Berlin 10. Dezember 1998 - 10 Sa 106/98 - PflR 2000, 341, 344; aA für Zukunftswünsche Schleßmann Das Arbeitszeugnis 16. Aufl. S 163 f.; Weuster/Scheer Arbeitszeugnisse in Textbausteinen 5. Aufl. S 72 f.).
(2) Richtig ist, daß Schlußsätze vielfach verwendet werden. Sie werden als "üblicher" Zeugnisinhalt bezeichnet (vgl. LAG Hamm 28. August 1997 - 4 Sa 1926/96 - NZA-RR 1998, 490 Ls.). Im Schrifttum wird empfohlen, mit ihnen das Zeugnis abzuschließen und die Gelegenheit zu nutzen, auf die Person des Arbeitnehmers und seine Leistung abgestimmte Akzente zu setzen, um das im Zeugnis gezeichnete Bild abzurunden (Dachrodt Zeugnisse lesen und verstehen 5. Aufl. S 81 ff.; Haas/Müller Dienstzeugnisse in öffentlichen Verwaltungen und Betrieben 3. Aufl. S 60). Schlußsätze sind mithin nicht "beurteilungsneutral", sondern geeignet, die objektiven Zeugnisaussagen zu Führung und Leistung des Arbeitnehmers und die Angaben zum Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu bestätigen oder zu relativieren. Soweit der Arbeitgeber solche Redewendungen verwendet, müssen sie daher mit dem übrigen Zeugnisinhalt in Einklang stehen (ErfK/Müller-Glöge aaO Rn. 94). Ist das nicht der Fall, kann der Arbeitnehmer den Arbeitgeber auf Erteilung eines ordnungsgemäßen Zeugnisses in Anspruch nehmen (LAG Hamm 12. Juli 1994 - 4 Sa 564/94 - LAGE BGB § 630 Nr. 26 Ls.).
(3) Weitergehende Rechtsfolgen lassen sich aus dieser Zeugnispraxis nicht herleiten. Positive Schlußsätze sind geeignet, die Bewerbungschancen des Arbeitnehmers zu erhöhen. Ein Zeugnis mit "passenden" Schlußsätzen wird daher aufgewertet. Daraus läßt sich aber nicht im Umkehrschluß folgern, ein Zeugnis ohne jede Schlußformulierung werde in unzulässiger Weise "entwertet". Vielmehr obliegt dem Arbeitgeber die Formulierung und Gestaltung des Zeugnisses (BAG 29. Juli 1971 - 2 AZR 250/70 - aaO). Zu seiner Gestaltungsfreiheit gehört auch die Entscheidung, ob er das Zeugnis um Schlußsätze anreichert.
Wenn ein Zeugnis ohne abschließende Formeln in der Praxis "oft" als negativ beurteilt wird, wie das Landesarbeitsgericht meint, so ist das hinzunehmen. Das gilt schon deshalb, weil die Bedeutung von Schlußsätzen gerade darin besteht, daß der Arbeitgeber Erklärungen abgibt, die über den von ihm geschuldeten Zeugnisinhalt hinausgehen. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, auf die Gesamtnote abgestimmte Schlußsätze zu formulieren, führt daher zu nichts anderem als zu ihrer formelhaften Wiederholung, nur mit anderen Worten. Der Arbeitgeber wird dazu angehalten, die inhaltliche Richtigkeit des von ihm ausgestellten Zeugnisses durch die Bekundung von Bedauern oder Dank nochmals zu bestätigen.
(4) Es kommt hinzu, daß nach allgemeinem Sprachverständnis Dank für gute Zusammenarbeit und gute Wünsche für die Zukunft Aussagen über persönliche Empfindungen des Arbeitgebers sind. Sie machen die Wertschätzung des Arbeitnehmers und seiner Leistung deutlich; der Arbeitgeber zeigt Teilnahme am weiteren Lebensweg des Arbeitnehmers. Gleiches gilt für die von der Klägerin zunächst ebenfalls verlangte Erklärung, ihr Ausscheiden werde bedauert. Ohne gesetzliche Grundlage kann der Arbeitgeber nicht verurteilt werden, das Bestehen solcher Gefühle dem Arbeitnehmer gegenüber schriftlich zu bescheinigen. Daß Schlußformulierungen oft wohl nur gewählt werden, um ein Arbeitszeugnis mit "üblichem" Inhalt zu erstellen, ändert daran nichts.
(5) Im Schrifttum wird angenommen, der Arbeitgeber müsse jedenfalls "beurteilungsneutrale" Wünsche für die Zukunft aussprechen (Grimm AR-Blattei SD 1850 Rn. 91). Das Fehlen von Zukunftswünschen wirke wie ein grußloser Abschied, der auf vertiefte Verstimmung hindeute. Ein solcher selbstverständlicher "Akt der Höflichkeit" könne nicht verweigert werden, es sei denn, das Arbeitsverhältnis habe durch Vertragsbruch des Arbeitnehmers geendet oder es sei zu Tätlichkeiten oder zu tiefgreifenden Kränkungen gekommen (KG Berlin 6. November 1978 - 2 U 2290/78 - insoweit nicht abgedruckt in BB 1979, 988; Schleßmann Das Arbeitszeugnis 16. Aufl. S 163 f.; Weuster/Scheer Arbeitszeugnis in Textbausteinen 5. Aufl. S 72 f.).
Auch das überzeugt nicht.
Eine solche Unterscheidung zwischen einem "unbelasteten" Arbeitsverhältnis mit Zukunftswünschen und einem "erheblich belasteten" Arbeitsverhältnis ohne Zukunftswünsche ist unzulässig. Das Zeugnis ohne die "Wunschformel" ist dann nicht mehr aus sich heraus verständlich, sondern es enthält einen verdeckten Hinweis. Ein der Zeugnissprache unkundiger Arbeitnehmer kann das Fehlen von Zukunftswünschen nicht als Warnung vor seiner Einstellung verstehen.
(6) Entgegen der Auffassung der Klägerin läßt sich den von ihr angezogenen Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Hamm (ua. 12. Juli 1994 - 4 Sa 192/94 - und - 4 Sa 564/94 - LAGE BGB § 630 Nr. 27 und Nr. 26) und des Landesarbeitsgerichts Köln (29. November 1990 - 10 Sa 801/90 - LAGE BGB § 630 Nr. 11) nichts anderes entnehmen. Die Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Hamm befassen sich mit der Üblichkeit von Schlußformulierungen und welche Grundsätze bei deren Verwendung zu beachten sind. In der Entscheidung vom 23. März 2000 (- 4 Sa 1578/99 - nv.) behandelt es eine vom Arbeitsgericht ausgeurteilte Schlußformel ("viel Erfolg" statt der vom Arbeitgeber verwendeten Formulierung "viel Glück"), mit der sich der Arbeitgeber in der Berufung nicht auseinandergesetzt hatte. Gegenstand der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln war entgegen dem veröffentlichten Leitsatz nicht der Anspruch auf Aufnahme von Zukunftswünschen, sondern des Beendigungsgrundes "Wunsch des Arbeitnehmers".
C. Die vor dem Arbeitsgericht entstandenen Kosten waren nach § 92 ZPO auf die Parteien zu verteilen; die Kosten der Rechtsmittel trägt die Klägerin nach § 91 ZPO.